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Paulskirche

PAULSKIRCHE
»...den öffentlichen Raum gibt es gar nicht«

Aktion + Planung 1988 Frankfurt/Main


1848 wurde die Paulskirche in Frankfurt zum zentralen Versammlungsort für den ersten sogenannten demokratischen Kongress, der sich aus der Revolution von 1848 entwickelte. Die Bauern, die seinen Anfang wesentlich mitgetragen hatten, nahmen nicht in zentraler Funktion an weiteren Beschlüssen des Kongresses teil.

Die Baumreihen auf dem Platz um die Paulskirche wurden zwischen 1970 und 1978 gepflanzt, um seine Nutzung für Versammlungs- und Demonstrationszwecke zu erschweren.

1988, wurde von der Stadt Frankfurt ein Wettbewerb für die Gestaltung eines Wandfreskos im inneren Wandelgang der Kirche ausgeschrieben, zu dem sieben Maler eingeladen wurden. (U.a. F. Droese, G. Richter, A.R. Penck, A. Hrdlicka, M. Kippenberger und J. Grützke). Die Ausschreibung verlangte ein gegenständliches, 33 m langes Wandgemälde über (die) deutsche Geschichte und die 1848-Revolution als den Anfang der Demokratie.



Installation (Anordnung):


• Ein der Öffentlichkeit für 4 Wochen zugänglicher ­ von mir mit unterschiedlichsten Materialien ergänzter und betreuter ­ Bauwagen an der Grenze zwischen Paulskirchenplatz und Gehweg.


• Eine rote Glocke im hölzernen Glockenstuhl neben dem Bauwagen. Grösse der Glocke ein Meter. Hängehöhe exakt 1-2 cm über dem Boden.

(Die Farbgebung erfolgte im Sinne Hölderlins: »Ich glaube an eine Revolution der Gesinnungen und Vorstellungsarten/ die alles bisherige schaamroth machen wird«, Reminiszenzen an das Logo der »Hochzeitsnudeln« kamen mit).


• Eine Diskussion zur Eröffnung, in der Nacht vom 7. zum 8. Mai 1988, die wie folgt zu installieren war:

Im Innern des vergleichsweise winzigen, mit einem kleinen Fenster ausgestatteten Bauwagens sollten die sieben Wettbewerbsteilnehmer (Absage M. Lüpertz liegt vor) sowie einige Kommilitonen und Freunde zu einem Gespräch zusammentreffen um sowohl Kriterien der Ausschreibung und der Teilnahme zu erörtern, als auch die Funktionen des Freskos und Beschreibungsmodelle von Geschichte. Dem Team war zudem aufgefallen, dass sowohl in der Geschichtsschreibung der Paulskirche als auch in den Fresko-Entwürfen keine Frauen vorkamen, ausser einer Marienfigur bei Grützke und die Ausführung einer Art Schildformation bei Penck, die die deutlich weniger abstrahierten und als »männlich« apostrophierten Figuren gleichsam wie Taktstriche des Alma-Mater Prinzips skandierten.

Dieses Charakteristikum der Konzeptionen hätte zusätzliche Exkurse über generelle Fragen von Repräsentation und Partizipation und solche nach Möglichkeiten der Bildenden Kunst, staatlicher Aufträge, gegenständlicher Malerei und Modelle geschichtlicher (A)Linearität und Wiederholung ermöglicht.


• Von aussen sollten Passanten nicht nur die Bauhütte samt roter Glocke sehen, sondern auch Stuhlreihen, in Richtung des Bauwagens plaziert.

Unsere Diskussion im Inneren des Bauwagens sollte nach aussen ausschliesslich akkustisch durch Lautsprecher zugänglich gemacht werden.

Interessierte Passanten hätten mit speziell eingeladenen Gästen (u.a. J.Habermas [zugesagt], Städeldirektor K. Gallwitz [zugesagt]) Platz nehmen können, und sich ggf. per Mikrofon beteiligen.


Mit diesen Anordnungen wäre sowohl ein Ausschluss als auch eine grundsätzliche Irritation über die Innen/Aussen-Situation für »Publikum« und »Teilnehmer« inszeniert worden.


Wesentlich für meine Entscheidung, dieses Projekt zu beginnen war, ­ angesichts des damaligen lokalen Hype um die Paulskirche und dem Stil ihrer Renovierung, und der zur selben Zeit beginnenden utopischen Aufladung des »öffentlichen Raumes« in Verbindung mit Potentialen bildender Kunst ­, die Frage, wo es denn den »öffentlichen Raum« als nicht zugerichteten gäbe.



[Die Standortgenehmigung der Stadt Frankfurt für Bauhütte und Glocke (»Raumforschungsstation«) lag vor, ebenso die Genehmigung für die Veranstaltung selbst und zusätzliche Materialauslagerungen aus der Hütte in die Umgebung. Glockengiesserei und Aufbauteam für das Gestühl wurde gefunden, ebenso eine Zusage für einen günstigen Bauwagen.

Die Städelschule (bei der ich Gaststudentin war), angefragt, ob sie dieses Vorhaben als Akademieprojekt + Semesterarbeit »Raumforschungsstation« mit dem benötigten Restbetrag unterstützen wolle ­ sah sich dazu nicht in der Lage; zumal auch eine längere Debatte nicht klären konnte, ob es sich bei diesem Projekt um bildende Kunst handle oder nicht.

Man war sich zudem auch nicht sicher »wie es ausgeht«, ­ ob etwa Vandalismus oder ähnliches zu befürchten seien. Antwort der verbliebenen Planungsgruppe: »Eben darum machen wir es ja!«]

 

 

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